Kategorie: Materialbearbeitung
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Schon seit einiger Zeit spielte ich mit dem Gedanken, mir ein Punktschweissgerät zur Akkukonfektion anzuschaffen. Die Nachteile, die das übliche verlöten bei der Akkukonfektionierung hat, liegen auf der Hand: Die Lötzeit muss auf ein absolutes Minimum beschränkt werden um die Zelle nicht zu beschädigen. Gerade der Pluspol einer NiCad Zelle ist empfindlich gegenüber Hitze, da sich hier ein Sicherheitsventil befindet, welches bei Überdruck öffnet. Dieses Ventil besteht meist aus einer Membran, die mit einem zu einem Dorn geformten Blech bei Überdruck durchstossen wird. Natürlich ist diese Membran aus Kunststoff, und genau der kann bei zu langem löten in Mitleidenschaft gezogen werden. Nun sind NiCads nicht mehr up-to-date, aber auch die von mir benutzten LiFePo4 Zellen mögen keine Hitze an den Polen. Abgesehen davon kann ich mir zur gegebenen Zeit meinen Akkupack meines Pedelecs neu verschweissen und wie gesagt, son Ding wollte ich immer schon mal haben.
Im Internet findet man die wildesten Bauanleitungen, meist basierend auf einem umgebauten Mikrowellentrafo. Das Dingen ist je nach Schwierigkeitsgrad mal mit mal ohne Zeitschaltung um die Dauer des Impulses zu begrenzen. Die Ergebnisse sind ebenfalls von-bis. Eine Ausführung hatte mich aber stark fasziniert: Ein "Hobbybastler" hatte eine Schaltung entworfen, die, basierend auf einem speziell programmierten Mikroprozessor, weit mehr bot als nur Strom an oder aus. Von wegen Hobbybastler! Das Ding machte eine richtig gute Figur, nix mit Hobbybastler! Alles sehr durchdacht und äusserst wertig aufgebaut. Die Teile sind jeden Cent wert.
Sobald es die Hobbykasse hergab wurde der Bausatz bestellt. Zeitgleich dazu habe ich im Internet Nickelband zum verbinden der Zellen und den speziellen, hochstromfesten Akku bestellt. Dieser ist unbedingt notwendig um die hohen Spitzenströme bereit zu stellen, die das Gerät benötigt um ordnungsgemäss zu funktionieren. Die Internetseite dazu ist https://www.keenlab.de/

Nach 3 Tagen war das Paket auch schon da, ging recht schnell.
Naja, der Bausatz war nach Durchsicht der Bauanleitung schnell vervollständigt. Die Elektronik selbst ist komplett verlötet, ein Lötkolben ist dafür zumindest nicht nötig. Es müssen nur noch einige mechanische Komponenten sowie Display und Sicherung montiert werden.

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Die Bauanleitung ist sehr ausführlich gehalten und gut bebildert. Ich bin zwar der englischen Sprache mächtig, eine deutsche Anleitung würde sicherlich ebenfalls nicht wenig Freunde finden. Natürlich habe ich Dummbeutel die Variante mit unkonfektionierten Anschlussklemmen bestellt. Vorab die Bauanleitung lesen hätte gebildet! Selbstredend hatte ich keine Crimpzange um die Kabel ordnungsgemäss mit den Kabelschuhen/Schweissspitzen zu verbinden... Zuerst habe ich versucht, alles mit meinem kleinen Handbrenner von Proxxon zu erwärmen. Völlig zwecklos, ist halt keine Creme Brulee. Nachdem mir die letzten Ideen ausgingen wer so eine Zange haben könnte, bin ich da mit der offenen Flamme ran. Der fette Rothenberger Brenner wurde bemüht und tatsächlich, die Dinge kamen in Wallung. Das üppige AWG8 Kabel wurde mit Kabelschuh und Schweisselektrode unter zuhilfenahme von reichlich Lötzinn verbunden. Nachdem auch diese Hürde genommen war, konnte ich es kaum erwarten die erste Punktschweissung zu machen. Von einem alten Laptopakku der herumlag konnte ich etwas dünnes Nickelband abschneiden, ein paar tote Zellen waren auch schnell gefunden. Was auch schnell ging war der Energievorrat der beiden 4s1p Lipos mit 5000mAh, aber nur 25C. Nach ein paar Schweissungen liess die Energie der bereits betagten Zellen nach. Also doch warten bis der richtige Akku kommt.
Der trudelte ein paar Tage später ein, "European Warehouse" sei Dank. Natürlich musste der Akku zuerst einmal geladen werden. Ladegerät eingestellt, Adapterstecker von Multiplex auf XT90 gelötet, alles verkabelt und... Unterspannung am Akku??? Ein kurzes nachmessen zeigte, dass der flammneue und noch nie benutzte Akku eine faule Zelle enthielt. Die hatte nämlich nur 0,8V, na super! Der Pack wurde eine Minute ohne Ballancer mit 5A geladen, danach die Ladung mit Ballancer fortgesetzt. Gut 1,5h später war dann der Akku lt. Ladegerät voll. Die eine Zelle hatte eine etwas geringere Spannung als die anderen, sodass ich ein paar schnelle Punktschweissungen zum testen ausführte. Schon irre, wie sich die Kabel alleine durch die grossen Ströme bewegen, Lorentzkraft sei Dank. Ich habe dann erstmal mit den Versuchen aufgehört und bei Hobbyking eine Reklamation gestartet. Um den Defekt zu dokumentieren müssen Bilder vom Barcode auf dem Akku sowie Spannungsanzeige eines Messgerät beim messen der einzelnen Zellen geschossen werden. Hobbyking hat die Reklamation recht zeitnah anerkannt und einen flammneuen Akku ohne weitere Kosten für mich geschickt. Den alten Akku habe ich ohne weiteres behalten können. Sehr guter Service, auch wenn es zuerst einmal ziemlich ärgerlich ist und ein Gefühl, jetzt mit dem neuen Akku "noch mal Glück gehabt zu haben", bleibt zumindest bei mir immer noch. Wie auch immer, nachdem der neue Akku angekommen ist konnten endlich die ersten Punktschweissungen unter "endgültigen" Bedingungen durchgeführt werden. Dabei zeigte sich, dass der Akkupack recht warm wird, beim nachladen aber kaum Kapazität nachgeladen wurde. Aus diesem Grund wurde der erste Akku mit der defekten Zelle parallel zu dem neuen Akku geschaltet um den Strom pro Pack zu halbieren. Nach ein paar Ladezyklen mit Ballancierungen von über 2 Stunden konnte sich die defekte Zelle aus dem ersten Akkupack fangen. Dennoch wird der Akkupack genau mit einem Lipochecker überwacht und nach Benutzung die Parallelschaltung sofort getrennt.
In der Zwischenzeit hatte ich mir auch noch aus 3mm Makrolon ein Gehäuse gefräst, welches als Zeichung auf der Herstellerseite kostenlos zum Download verfügbar ist. So ist die Elektronik vor Kurzschlüssen durch herumliegende Metallteile geschützt.

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Ich habe als Testkandidaten ein paar betagte Sanyo KR7000 auserwählt, diese sollten als Proband für den Akkupack im neuen WK202 herhalten.

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Hier wollte ich LiFePo4 Akkus miteinander verschweissen, da mir das originale M6 Schraubgewinde der Zellen nicht zusagte. Leider habe ich damals diese Zellen gekauft anstatt der Lötversion, die auch noch ein gutes Stück pro Zelle kürzer sind.

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Fazit:
Natürlich ist ein Punktschweissgerät nur für Akkus ein Exot, und ich werde die Kosten von zusammen um die 270 Euro kaum wieder "heraus" bekommen, aber nun habe ich beim Akkukonfektionieren ein deutlich besseres Gefühl als vorher beim braten mit dem Lötkolben.

 

Nachtrag zum Punktschweissgerät

Schon vor einiger Zeit zeichnete sich ab, dass einer der beiden Turnigy Akkus schlappmacht. Klar, die Dinger kosten ja auch nix... Tatsächlich starb eine Zelle im Pack während des schweissens sodass ich nur noch einen funktionstüchtigen Akku übrig hatte. Leider begann auch der alsbald dicke Backen zu bekommen, es musste also ein Ersatz her. Ich habe dann lange hin und her überlegt, was die sinnvollste Stromquelle für diese hohen Ströme ist und mit letztendlich für eine Kondensatorbank des selben Hersteller entschieden. Zusammen mit einem Spannungsregler und einem Servernetzteil ergibt das ein prima Netzteil für das Punktschweissgerät. Über einen guten Freund konnte ich an die Teile ohne MWSt kommen und so wurde schnell bestellt. Nach ein paar Tagen erreichte mich dann die Lieferung die flugs zusammengebaut wurde.

  

Der Spannungsregler

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Die Kondensatorbank

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Verbindgungskabel Kondensatorbank - Punktschweissgerät

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Um auch für zukünftige Softwareupdates gerüstet zu sein habe ich ebenfalls ein Schnittstellenset mitbestellt.

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Natürlich hatte ich ein Teil vergessen zu bestellen. Der U-Boot Kenner kann sich schon denken was es ist. Draht! Leider nicht ganz für 50 Pfennig, aber genauso dringend benötigt. Immerhin geht es hier um respektable Ströme, die kann man nicht über 1qmm schicken. Das passende Kabelset mit den dazugehörigen Schellen um die Kondensatorbank mit dem Spannungsregler zu verbinden hatte ich natürlich völlig vergessen. Äusserst flache Lernkurve, sag ich mal. Immerhin hatte ich bei der ersten Bestellung die Kabel schon mal vergessen. Jammern hilft nicht, hier musste mit dem vorhandenen Material (in dem Fall zu kurze Kabelreste) erstmal improvisiert werden damit alles getestet werden kann. Heraus kam eine ziemlich provisorische Anordnung, die alleine schon wegen Kurzschlussgefahr und sehr hoher Ströme "in Form" gebracht werden muss. Hier werde ich ein Gehäuse inklusive Lüfter bauen müssen.

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Ladungsmengen bis 100J sind aber ohne weiteres drin, 0,3mm dicke Hiluminstreifen sind problemlos schweissbar.

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Damit die Platinen nicht ganz so arg durch die Gegend fliegen habe ich fürs Erste eine Adapterplatte gfräst mit der die Punktschweissplatine und die Kondensatorplatine miteinander verbunden werden

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Ein kleines Manko tut sich hier aber auf. Durch den Einsatz der Kondensatorbank bleibt aufgrund der ausgefeilten Schaltungstechnik die gespeicherte Energie nach dem Ausschalten des Servernetzteils in den Kondensatoren. Diese werden nämlich durch die eingebaute Elektronik vollgeladen und danach nur bei Bedarf nachgeladen. So kann die Energie nicht in das evtl. nicht dafür geeignete Netzteil beim abschalten der Betriebsspannung zurückfliessen und es dadurch im schlimmsten Fall zerstören. Das hat jetzt zur Folge, dass die Punktschweisselektronik für lange Zeit noch eingeschaltet bleibt bis die Energie in den Kondensatoren durch die Eigenstromaufnahme erschöpft ist. Damit diese Energie rasch abgebaut wird werde ich noch ein Relais und einen geeigneten Hochlastwiderstand einbauen. Das Relais liegt wird vom Servernetzteil gespeist und fällt ab wenn die Spannung nach dem abschalten der 230V abfällt. Ein Wechselkontakt schaltet dann den Hochlastwiderstand parallel zum Ausgang der Kondensatorplatine. Ich habe mir dazu 3 Widerstände mit 2,2 Ohm und 50W bestellt die parallel geschaltet werden. Somit fliessen bei den eingestellten 8.1V Versorgungsspannung Punktschweissplatine rechnerisch 11A, die die Kondensatoren schnell leeren. Die entstehenden 90W werden in den Widerständen recht zügig in Wärme umgesetzt.

Unbenannt

Ich muss zugeben, das Gerät ist nicht wirklich günstig zu nennen. In der Vollversion kostet das Gerät um die 470 Euro inkl. Servernetzteil von Ebay. Mich hat es noch einmal 120 Euro mehr gekostet, da ich anfangs auf LiPo Akkus gesetzt habe von denen ja einer schnell den Geist aufgegeben hat. Alles in Allem also gut 600 Euro und dann hat man eigentlich nur ne lose Ansammlung Platinen auf dem Tisch und kein Gerät in nem schnieken Gehäuse. Man muss natürlich gut überlegen, ob einem das alles wert ist. Zumindest werde ich einen Teil der Kosten weiterleiten wenn ich mal wieder mit dem schweissen von Akkus beauftragt werde.